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Ganzheitliche Energieversorgung in neuen Quartieren ermöglichen

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10. November 2022
Was bei Wärme längst möglich ist, bleibt Quartiersentwicklern beim Strom bislang verwehrt: Lösungen für eine effiziente, gebäudeübergreifende Quartiersversorgung mit dezentral und nachhaltig erzeugtem Ökostrom. Ein Kommentar unseres Innovationsexperten Julian von Reumont.

Heute ist es längst gängige Praxis, ganze Wohn- und Stadtquartiere mit klimafreundlicher, vor Ort erzeugter Wärme per Nahwärmenetz zu versorgen. Von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit Biogas bis zu zentralen Wärmepumpen mit Niedertemperaturnetzen können Quartiersentwickler wie die DORNIEDEN Gruppe dafür auf verschiedene, innovative und sehr effiziente Technologien zurückgreifen. Die Fernwärmeverordnung (AVBFernwärmeV) bietet die entsprechenden regulativen Rahmenbedingungen, um an viele Wohneinheiten nachhaltig und zentral erzeugte Wärme im Quartier verteilen zu können. Bei der gebäudeübergreifenden Ökostromversorgung im Quartier überwiegen dagegen derzeit noch die Investitionsrisiken und regulativen Restriktionen.

Ungenutztes Potenzial bei der Stromerzeugung und -versorgung

So ist in Deutschland etwa geregelt, dass jeder Stromkunde seinen Versorger frei wählen und Verträge nach kurzer Laufzeit auch wieder kündigen kann. Das ist natürlich einerseits positiv für den Verbraucherschutz, führt jedoch auch dazu, dass ein Investor das Risiko scheut, die notwendige Infrastruktur für die Stromversorgung ganzer Quartiere mit Ökostrom zu finanzieren, da er nicht weiß, wie viele Kunden wie lange einen Versorgungsvertrag abschließen werden.

Weitere Hindernisse sind beispielsweise die Reduzierung der möglichen Dachflächen für Photovoltaikanlagen aus Brandschutzgründen, hohe Konzessionsabgaben beim Aufbau eines quartierseigenen Stromnetzes und gesetzliche Einschränkungen bei der grundstücksübergreifenden Kopplung der Stromerzeugungsanlagen mehrerer Gebäude. Unterm Strich ist es deshalb derzeit kaum wirtschaftlich, Ökostrom für alle Haushalte in einem Wohngebiet über eine ähnliche Betreiberstruktur wie bei der Wärmeversorgung zur Verfügung zu stellen. Da bleibt leider derzeit erhebliches Potenzial ungenutzt – die Energiewende im Gebäudesektor bringen wir so nicht schnell genug voran.  

Was bislang bei der Versorgung mit dezentral erzeugtem Ökostrom möglich ist, sind Lösungen für einzelne Gebäude. Das „Mieterstrom“-Modell für Mehrfamilienhäuser ist jedoch kompliziert, bürokratisch und kaum rentabel. Deshalb hat es sich bislang auch in Deutschland noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Vor allem aber bringen derart kleinteilige Lösungen, die immer nur für einzelne Gebäude und Grundstücke gelten, den Klimaschutz im Wohnsektor nur in Tippelschritten weiter – und das kann nicht im Interesse der Bundesregierung sein, die sich bekanntlich sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt hat.

Als Projektentwickler verfolgen wir bei der DORNIEDEN Gruppe mit unseren drei Bauträgermarken DORNIEDEN Generalbau, VISTA Reihenhaus und FAIRHOME den Anspruch, ganzheitlich geplante, nachhaltige Quartiere zu konzipieren. Unser Ziel ist, in zukunftsorientierten Quartieren eine dezentrale, klimafreundliche und möglichst autarke Energieversorgung zu ermöglichen. Bei Wärme gelingt uns das in den von uns geplanten Quartieren bereits sehr gut, beim Thema Strom sehen wir den Gesetzgeber in der Pflicht, auch hier endlich ganzheitlich geplante, nachhaltige Lösungen über Gebäude- und Grundstücksgrenzen hinweg zu ermöglichen.

Idealkonzept sieht energetisch autarke EnergiePlus-Quartiere vor

Wie könnte so eine innovative Energieversorgung im Quartier konkret aussehen? Zukunftsweisend wäre eine quartiersinterne, gebäudeübergreifende Erzeugung des vor Ort benötigten Stroms – mit Photovoltaikanlagen auf allen Dächern – sowie die sektorengekoppelte Verwendung: Der Ökostrom würde dafür im Quartier in zentrale Speicher fließen und zur Nutzung der Wärme- und Kälteerzeugung mittels Wärmepumpen, als Privatstrom für die Haushalte und für den Betrieb einer quartierseigenen E-Ladeinfrastruktur – wie wir sie beispielsweise in Bergheim-Glessen mit einer Mobilstation realisieren – zur Verfügung stehen.

Nicht benötigten Strom könnte die Energiezentrale des Quartiers über eine Energie-Cloud für die überregionale Nutzung in anderen Quartieren bereitstellen. Denn so wie Lösungen bei nur einzelnen Gebäuden im Sinne des „Mieterstrom“-Konzepts ganzheitlich betrachtet wenig Sinn ergeben, dürfen wir auch eine nachhaltige Energieversorgung in Quartieren nicht als Insellösung verstehen, sondern müssen immer auch die Umgebung mit einbeziehen.

Einer der größten Vorteile ganzheitlicher Quartierslösungen bei der Energieversorgung ist die Kosteneffizienz. So lassen sich etwa Investitionen in innovative Speichertechnologien auf viele Schultern verteilen. Damit sinken die Kosten für jeden einzelnen Haushalt enorm. Gleichzeitig könnten sich bei quartiersübergreifenden Konzepten für die Stromversorgung Erzeuger und Verbraucher lokal ergänzen, ohne den bislang nicht lukrativen Weg der Einspeisung in das öffentliche Netz zu nehmen. Die Photovoltaikanlage des Nachbarn, der nicht zu Hause ist, würde dann beispielsweise den Strom für das Homeoffice und die laufende Waschmaschine im Nachbarhaus liefern, wenn hier der Bedarf nicht durch die eigene Anlage gedeckt ist.

Es ist sehr bedauerlich, dass sich eine quartiersübergreifende Ökostromversorgung – anders als bei der Wärmeversorgung – bislang allenfalls bruchstückhaft und mit hohen Investitionsrisiken sowie regulativen Restriktionen realisieren lässt. Hier braucht es für den Fortschritt der Energiewende dringend den notwendigen regulativen Spielraum, um sinnvolle gebäudeübergreifende Lösungen voranzutreiben. Die regulativen Einschränkungen erschweren bislang die Energiewende und die rasche Abkehr von fossilen Energieträgern im Wohnsektor.